Samstag, 19. Oktober 2013

Was für ein verrücktes Land ist denn das hier?

So hört man die Touristenstimmen. Es ist wirklich zum Verzweifeln. Nach drei herrlichen Tagen in San Francisco sind wir nun wieder in die Natur geflüchtet. Aber zuerst zum Stadtleben. City ist okay, aber nur für kurz, wenn wir bitten dürfen! Mein Portemonnaie wäre sonst nämlich innert kürzester Zeit leer, da könnte mich Tom wie auch schon fragen, was ich mit meiner Kohle denn so alles gemacht hätte. Was? Natürlich würde ich mein Geld nicht in Kleider oder ähnlichen Quatsch stecken. Aber all die Obdachlosen in dieser Stadt und dies inmitten der Businessfreaks und Touristen. Und wohlverstanden, wir haben nur eine kleine Ecke der Stadt gesehen. Nicht auszudenken, wie es in anderen Vierteln aussieht. Jaja, Cornelia, du mit deiner sozialen Ader, ich hör sie schon, meine Freunde. San Francisco, manch Hippie aus den 60iger Jahren hat die Kurve nicht gekriegt. Traurig und verlassen liegen viele ältere Menschen, zusammengekauert auf Decken, mit völlig verdrehten Augen, wahrscheinlich sind sie immer noch auf LSD, und bewachen ihr Hab und Gut, welches sie normalerweise in Einkaufswagen über die belebten Strassen schieben. Geblieben sind ihnen die Erinnerungen an die Flower Power Zeit mit Flashs und Sexorgien. Nichts ist von dem übrig geblieben. Aber genug. Ich weiss natürlich, dass es in vielen anderen Städten noch schlimmer zu- und hergeht, ich bin ja nicht blauäugig.
Also, San Francisco ist im Grossen und Ganzen wirklich eine traumhafte Stadt. Vor allem imposant ist für uns der Bau der Stadt auf all den Hügeln. Kreuz und quer sind die Häuser angeordnet, die Steigungen sind enorm, eben halt wie im Film. Tom hat sich sehr darüber gefreut, wie ein Stuntman aussen an der Cable-Car zu hängen. Ich hingegen habe Cable-Car-Fahren zu meinem Albtraum-Punkt Nr. 1 auserkoren. Denn: ich habe am meisten abgekriegt und zwar von der verdammt schlechten Laune des „Trämelers“. Immer wieder dreht sich dieser zu mir um und verlangt, dass ich noch weiter ins Innere des Trams aufschliesse, wohlverstanden, meine empfindliche Nase ist bereits deutlich zu nah an Passagier A, bzw. an dessen Unterarm. Weiter gibt es zweifellos wirklich Schöneres, als dem „Trämeler“ auf seinen breiten A… und auf seinen verschwitzten Nacken zu starren.



Wenn Mister Superman sich dann noch zu mir umdreht und mir sein fieses Grinsen zuwirft, könnte Frau meinen, es wäre bereits Halloween. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig, ich muss hier durch. Ich bemühe mich, wenn es wieder massiv den Berg rauf geht, nicht an Passagier A kleben zu bleiben. Immer wieder werfe ich meinem geliebten Mann verzweifelte Blicke zu, meine tonlosen, deutlichen Hinweise, dass wir doch in CHINATOWN rauswollen, versteht er nicht. Offensichtlich hat er an der Fahrt jedoch richtig Spass und will mich gar nicht verstehen, denn normalerweise kann er aufgrund seiner Hörschädigung wunderbar von meinen Lippen lesen. Völlig eingeschüchtert verlasse ich die Geisterbahn und will nur noch eins, bloss raus aus dieser Stadt. Natürlich haben wir vieles gemäss Reiseführer abgeklappert, wir waren sogar am Pier 39, haben Shopping gemacht und sogar einiges gekauft, obwohl unser Nikan bald aus allen Nähten platzt. Wir haben feine, französische Crêpes gegessen, die selbst ein richtiger Franzose nicht so wunderbar hinkriegt wie die quirligen Mexikaner. Unsere Fahrt mit der Fähre zurück nach Larkspur geniessen wir sehr. Ich liebe es, mir Gedanken über meine Mitreisenden zu machen. Wie hat wohl der Tag des Einzelnen ausgesehen? Der gut gekleidete Afroamerikaner schräg gegenüber drückt entnervt auf seinem Black Berry herum und entscheidet sich schliesslich Musik zu hören. Kurz darauf nickt er ein. Dann erblicke ich ca. 5 Reihen vor uns eine Frau, die ihrer Kollegin emotional irgendwelche Sachen erzählt. Ich sehe bloss ihren straff, mit einem rosaroten Band zusammengebunden Pferdeschwanz, der sich ständig hin- und her bewegt. Oder das junge Paar schräg hinter uns, das sich bereits nichts mehr zu sagen hat. Sie hat eine schlaffe Sonnenblume dabei. Vielleicht hat sie Geburtstag? Der junge Mann besorgt in der Cafeteria ein Glas Rotwein für sie, er selbst schlürft dazu sein Bier. Sie sprechen kein Wort zusammen. Jeder drückt auf seinem Natel herum. Ich stelle mir vor, wie sich die beiden dann in einer etwas chaotisch eingerichteten Wohnung ein Abendessen vom Chinesen bestellen. Als ich Tom von meiner Geschichte erzähle, meint er bloss lachend, ja, um dann vis-à-vis zu höcklen, Food vom Chinesen zu schlabern, beide auf dem Natel herumdrückend.

Fotos San Francisco

By the way, die Golden Gate Bridge haben wir dann am Tag darauf besucht. Und vor lauter Enttäuschung, dass all die Nationalparks immer noch geschlossen sind, beschliessen wir, über die Brücke zu fahren. Gebühren hin oder her. Scheissegal. Wir  bezahlen dann schliesslich gar nix. Natürlich, auch die Beamten beim Toll-Häuschen sind freigestellt. Die schlauen Amis verlieren lieber Tausende von Dollars. Oh, das tut weh. Auch das nette Café unten am Fort Point bleibt geschlossen. Sogar die Restrooms sind zu. Na, ihr Herren, dann pinkelt mal schön an die nächste Hausmauer. Wir Frauen haben Stil und warten, bis uns die Blase fast platzt. Oder auch nicht. Wer muss, der muss. Basta. 

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